Pflichtteilsansprüche enterbter Angehöriger stellen häufig einen zentralen Konfliktpunkt bei der Vermögensnachfolge dar. Insbesondere Unternehmer und vermögende Privatpersonen suchen daher nach Strategien, den Zugriff enterbter Familienmitglieder auf das Familienvermögen zu beschränken. Eine dieser Strategien ist die Gründung einer Familienstiftung – als langfristiges Instrument zur Sicherung des Vermögens und zur Einschränkung der Pflichtteilsbelastung.
1. Pflichtteil und Pflichtteilsergänzungsanspruch – Grundlagen
Das Pflichtteilsrecht sichert bestimmten nahen Angehörigen (insbesondere Abkömmlingen, Ehegatten und ggf. Eltern) im Falle der Enterbung eine Geldzahlung in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils zu. Der Anspruch richtet sich gegen die Erben und bezieht sich grundsätzlich auf den im Todeszeitpunkt vorhandenen Nachlass.
Hinzu kommt der Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB): Hat der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod Vermögenswerte verschenkt, können diese anteilig dem Nachlass wieder zugerechnet werden. Der Wert der Schenkung schmilzt pro Jahr um 10 % ab und fällt nach zehn Jahren vollständig aus der Berechnung – sofern der Erblasser auf die wirtschaftliche Nutzung verzichtet hat. Andernfalls beginnt die Frist nicht zu laufen (sog. „Genuss“-Rechtsprechung des BGH).
2. Die Familienstiftung
Bei der Familienstiftung handelt es sich um eine rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts, die nicht einem gemeinnützigen Zweck, sondern den Interessen und der Versorgung einer Familie dient. Die Stiftung gehört sich selbst – sie hat weder Gesellschafter noch Mitglieder.
Das Vermögen kann sowohl aus Privat- als auch aus Betriebsvermögen bestehen (z. B. Immobilien, GmbH-Anteile oder Gesellschaftsanteile an einer GbR oder KG). Der Stifter bestimmt in der Stiftungssatzung unter anderem:
- welche Familienmitglieder gefördert werden,
- wie Vorstand und Kontrollorgane zusammengesetzt sind,
- wie das Vermögen verwaltet werden soll.
Im Gegensatz zu gemeinnützigen Stiftungen genießt die Familienstiftung keine umfassenden Steuerprivilegien. Im Vordergrund stehen daher Vermögensschutz, Gestaltungsspielraum bei der Nachfolge und – unter bestimmten Voraussetzungen – eine Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen.
3. Familienstiftung & Pflichtteilsergänzung – rechtliche Fallstricke
Zuwendungen an die Stiftung
Überträgt ein Stifter Vermögen auf „seine“ Familienstiftung, fällt dieses Vermögen nicht mehr in den Nachlass – es gehört der Stiftung. Gleichwohl sind diese Übertragungen grundsätzlich pflichtteilsergänzungsrelevant, wenn sie innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Tod erfolgt sind.

Schenkung ohne Gegenleistung
Die Übertragung auf die Stiftung erfolgt regelmäßig unentgeltlich, also als Schenkung. Das gilt auch dann, wenn der Stifter später noch als Destinatär Leistungen aus der Stiftung erhält. In solchen Fällen ist § 2325 BGB entweder direkt oder analog anwendbar.
Zehnjahresfrist und wirtschaftliche Nutzung
Ein kritischer Punkt ist die Frage, ob die Zehnjahresfrist zur Abschmelzung des Ergänzungsanspruchs überhaupt zu laufen beginnt, wenn der Stifter weiterhin wirtschaftlich von dem übertragenen Vermögen profitiert. Der BGH hat in seiner „Genussverzicht“-Rechtsprechung betont, dass die Frist nicht zu laufen beginnt, wenn der Erblasser sich die „wesentliche Nutzung“ des Vermögens vorbehalten hat.
Bei Familienstiftungen dürfte dies nur selten der Fall sein: Zwar kann der Stifter als Destinatär oder Vorstand von der Stiftung profitieren, doch wird hierin in der Regel nicht die vollständige wirtschaftliche Kontrolle gesehen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Zehnjahresfrist auch bei Destinatärstellung grundsätzlich zu laufen beginnt.
Keine Anstandsschenkung
Die Übertragung von Vermögen an eine Stiftung ist nicht als sogenannte Anstandsschenkung im Sinne von § 2330 BGB einzuordnen, die von der Pflichtteilsergänzung ausgenommen wäre. Es fehlt in der Regel an einer sittlichen Verpflichtung – diese Voraussetzung wird von der herrschenden Meinung bei Stiftungszuwendungen klar verneint.
4. Anrechnung von Stiftungsleistungen auf den Pflichtteil
Hat ein pflichtteilsberechtigter Angehöriger selbst Zuwendungen aus der Stiftung erhalten, stellt sich die Frage, ob er sich diese auf seinen Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen muss. Zwar stammt das Vermögen nicht direkt vom Erblasser, sondern aus der Stiftung, doch kann eine wirtschaftliche Verknüpfung zum Stifter bestehen.
Es wird daher vertreten, dass sich ein Pflichtteilsberechtigter Zahlungen der Stiftung als Destinatär anrechnen lassen muss, wenn er gleichzeitig Pflichtteilsansprüche gegen den Nachlass des Stifters geltend macht. Diese Frage ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt, es sprechen jedoch gute Gründe für eine solche Anrechnung – insbesondere aus dem Gedanken der Doppelbegünstigung heraus.
5. Stiftung als Pflichtteilsstrategie – Chancen und Grenzen
Die Familienstiftung kann bei frühzeitiger und strategischer Planung ein wirksames Instrument zur Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen sein. Vor allem die Einhaltung der Zehnjahresfrist ist entscheidend.
Im Vergleich zu anderen Gestaltungen – wie der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt – bietet die Familienstiftung mit Blick auf § 2325 Abs. 3 BGB teils größere Sicherheit. Der Stifter kann so weiterhin – zumindest teilweise – vom Vermögen profitieren, ohne den Beginn der Frist zu blockieren.
Allerdings sollten auch andere Maßnahmen in Betracht gezogen werden, z. B.: Pflichtteilsverzichtsverträge (gegen Abfindung) oder die Gestaltung von Erbverträgen und Eheverträgen,
Ich begleite Unternehmer und vermögende Familien bei der Strukturierung ihrer Nachfolge – strategisch, rechtssicher und steueroptimiert.